Sind Sie mit Ihrer Beziehung zufrieden?
Statistisch ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Sie mit „Ja!“ antworten.
Wie hoch schätzen Sie Ihre Zufriedenheit auf einer Skala von 1 bis 10 ein?
Bei dieser Art der Fragestellung ist die Wahrscheinlichkeit einer Antwort im oberen Drittel bereits um einiges geringer.
Was bedeutet das?
Wenn die Mehrheit der Befragten angibt, „im Großen und Ganzen“ zufrieden zu sein, gleichzeitig aber über ein Drittel aller Ehen geschieden werden, dann gibt es in unserem Umgang mit Partnerschaft eine weit verbreitetes Paradoxon.
Die meisten haben von Kinderschuhen an gelernt dass man nicht immer alles haben kann was man sich wünscht. Aber ist der Verzicht auf echte Zufriedenheit in der Partnerschaft tatsächlich ein Zeichen von Tugend, oder eher von falscher Bescheidenheit oder vielleicht sogar Faulheit?
Unser Gehirn, und da finden diese Art von Bewertugns- und Regulationsprozessen statt, ist so aufgebaut, dass es uns signalisiert dass etwas nicht in Ordnung ist wenn wir unsere innere Überzeugung verlassen. Das paradoxe ist, dass wir es dennoch schaffen zu denken: „Ach, es ist eigentlich alles okay wie es ist“.
Das sind die Momente, in denen schleichende Trennungs-Prozesse beginnen.
Je mehr man sich bemüht, diesen aus dem Weg zu gehen, oder diese sogar mit positivem Denken aufpeppt, desto mehr beginnt sich ein Teil des uneingeschränkten „Ja!“ zum Partner zurückzuziehen, und zumindest gedanklich mit anderen Möglichkeiten zu spielen, Liebe zu bekommen. Das kann sich äußern indem man sich aus der Sexualität zurückzieht, erotische Bestätigung im Außen sucht oder andererseits Bemühungen, von denen man weiß dass sie den Partner freuen würden, einstellt.
Und einer bekommt das ganz genau mit: Der Partner. Leider ist dieser dann bereits der, auf den man am wenigsten hören möchte. Das lässt sich dann auch ganz gut begründen, da man ja im Gegenzug seine Denkfehler genauso klar vor Augen hat. Das führt in den meisten Fällen zu einem faulen Kompromiss oder zum Schlagabtausch, statt zu einer erfüllenden Begegnung.
Was ist mit Freunden? Können die helfen aus dem Selbstbetrug auszusteigen und die eigene Position zu halten UND dabei auf den anderen zuzugehen? Ja, wenn diese dabei keine eigene Agenda haben oder von soviel Verantwortung überfordert sind. Freunde sind generell auf Ihrer Seite, und nicht auf der Seite Ihrer Partnerschaft. Und das führt zu voreiligen Positionsbekundungen, besonders wenn Sie es bewusst oder unbewusst darauf anlegen. „Geh’ Deinen eigenen Weg“, kann eine willkommene Einladung sein, die Trennung einzuleiten (Schließlich hat der beste Freund einem die Legitimation erteilt).
Gute Paartherapie, die keine andere Agenda haben sollte als auf der Seite des Paares zu sein und dafür sorgt, dass BEIDE Partner das bekommen was sie sich wünschen, kann aus selbstbetrügerischen Denk- und Gefühlsspiralen führen.
Ob man zusammenbleibt oder nicht, wird dann zur Nebensache. Weil es darum geht dass Sie wieder zu sich und Ihren Wünschen stehen. Und wenn beide das machen, ist die beste Grundlage dafür geschaffen die Frage nach der Zufriedenheit in der Beziehung mit einer 10 zu beantworten. Denn ist die Selbsttäuschung einmal aus dem Weg, wird ein neuer Weg frei, auf dem sich keiner der Partner mehr etwas vormachen muss.
Paartherapie kann also Trennungen verhindern, die nicht nötig sind, weil bislang beide Partner nicht wirklich für sich, sondern nur für die Beziehung gekämpft haben. Und sie kann helfen, die Entscheidung zu einer Trennung möglich zu machen, wenn das der Weg ist, sich selbst treu zu bleiben.